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Die Schweizer Wiese hat ein eisernes Herz

Über ‚Trading Paradise’, einen Dokumentarfilm von Daniel Schweizer

22/09/2017

Wenn man durch die saftigen Wiesen und Hügel der Zentralschweiz wandert, fällt einem ein Schild auf. Darauf ist eine Kuh zu sehen, die ein Poster zwischen den vorderen Hufen hält. „Ich esse lieber Gras statt Müll", meint sie.  Damit motiviert sie also die lieben Menschen ihre Au sauber zu halten. Der Schweizer Käse und die Schokolade sind nicht umsonst weltberühmt. Die nicht so geheime Zutat ist die frische, gesunde Milch aus eigener Produktion.

Das kleine zentraleuropäische Land möchte sich gerne als ein Vorzeigeland bezüglich Umweltschutz, fairen Arbeitsbedingungen und des Talents zur neutralen Mediation in internationalen Krisen positionieren. So stolz sind die Eidgenossen auf ihre Errungenschaften, dass sie sich oft als eine Insel der Seligen sehen, die keinen Einfluss von außen wünscht. Das alles mag im Land auch stimmen, aber die Frage, die sich der bekannte Genfer Filmemacher Daniel Schweizer in seinem neuesten preisgekrönten Dokumentarfilm ‚Trading Paradise’ stellt, ist: Wie viel bleibt vom Vorzeigeland übrig, wenn man die Machenschaften der multinationalen Konzerne mit Sitz im Steuerparadies Schweiz genau betrachtet? 

Der Fokus liegt dabei auf dem internationalen Rohstoffhandel, der seinen Anfang bekanntlich sehr oft in krisengebeutelten Ländern hat und dessen Finanzströme dann still und heimlich in die Schweiz münden. So wird das Filmpublikum gleich am Anfang der Doku in das Wissen eingeweiht, dass die Schweizer Firma Glencore doppelt so viel Umsatz wie der öffentlich bekanntere Riese Nestlé macht. Glencore ist ein omnipräsentes Unternehmen, das Rohstoffe in unterschiedlichen Ländern extrahiert. Es hat Werke u.a. in Peru, Sambia und in der schwer umkämpfen Demokratischen Republik Kongo, von wo aus Glencore die dort gewonnenen wertvollen Metalle in den Rest der Welt bringt. 

Das Filmteam begleitet Marc Guéniat von der NGO Déclaration de Berne zum Kupferschmelzwerk Mopani im zentralafrikanischen Sambia. Bei der Kupfergewinnung werden hochgiftige Gase freigesetzt. In Mopani hatten die Verantwortlichen diese Tatsache jahrelang vernachlässigt und totgeschwiegen. Die verseuchte Luft und das Grundwasser brachten der lokalen Bevölkerung zahlreiche schwerwiegende gesundheitliche Beschwerden ein und zerstörten die Ernte der dort ansässigen Bauern. Die Klagen der armen Bevölkerung stießen auf taube Ohren und der Schadenersatz war oft nur ein kleiner Prozentsatz der von ihnen geforderten Summe. In Interviews werden die gegensätzlichen Standpunkte klar. Die Bevölkerung und Vertreter von dortigen NGOs zeigen die zahlreichen gesundheitlichen und materiellen Schäden auf, während das Team des Kupferwerks nachdrücklich betont, dass in der Zwischenzeit Millionen in ein modernes Abgassystem investiert wurden. 

Das Filmteam macht mehrere Zwischenstopps in weiteren stark betroffenen Regionen. Um die von Glencore gesteuerten Kupferminen in Peru demonstrieren die einfachen Bauern und die indigene Bevölkerung gegen die schweren Menschenrechtsverletzungen. In Brasilien wird gegen den Rohstoffgiganten Vale demonstriert, der mitten im Amazonasgebiet seine Eisenwerke hat. Die dort ansässigen Menschen und die erdverbundenen indigenen Völker werden übergangen und die Umwelt in dieser weltweit einzigartigen Region systematisch zerstört. Alle aufgewühlten Bürger in diesen Ländern haben eines gemeinsam: Lebensangst, denn die Unternehmen machen Druck auf laute Stimmen. Vale hüllt sich weiterhin in Schweigen und geht auf die Fragen des Filmteams nicht ein. 

Diese und viele andere schwergewichtige Unternehmen im Rohstoffhandel haben den oder zumindest einen Sitz in den steuerbegünstigten schweizerischen Kantonen. Sie operieren von Zug oder Genf aus, wo sie nicht nur die niedrigen Steuern und die Bankennähe genießen, sondern auch mindestens ein blindes Auge seitens der Schweizer Regierung gegenüber Menschenrechtsverletzungen und Umwelttragödien in den Ursprungsländern. Nach den Nazi-Gold und Swissair Skandalen, droht der nach außen so makellosen Schweiz ein weiterer Riesenskandal mit weltweitem Ausmaß. Die Schweizer NGOs und die Zivilgesellschaft verlangen nach mehr Transparenz und Kooperation seitens der Unternehmen und des Staates. Im Film wird gezeigt, wie eine schweizerische außerparlamentarische Gruppe zur Untersuchung der dortigen Klagen nach Peru geschickt wird. Die Antworten mancher Staatsmänner und –frauen sind verblüffend. Das Leid der Bevölkerung scheint nicht ernst genommen zu werden.

Für den Film wurden zahlreiche Personen interviewt, u.a. Vertreter der Zivilgesellschaft in der Schweiz und in den Ursprungsländern, Repräsentanten von NGOs und großen internationalen Organisationen wie der UNO sowie von Glencore. Es wird dabei klar, dass die Verantwortung nicht nur bei diesen Firmen und den jeweiligen Staaten liegt, sondern auch bei den Konsumenten in einer globalisierten, stark vom Materialismus geprägten Welt. 

‚Trading Paradise’ hatte am 21.9.2017 die Schweizer Premiere im Zürcher Kino Kosmos, wonach eine Diskussion zwischen dem Regisseur Daniel Schweizer, Caroline Morel von SWISSAID, zwei Repräsentanten von Glencore, Charles Watenphul und Marie Roth, und der Moderatorin, Laura Knöpfel vom Think Tank foraus, stattfand. Während es als positiv bewertet wurde, dass sich Glencore offen für eine Diskussion zeigte, betonten Herr Watenphul und Frau Roth mehrmals, dass der Film einseitig wäre und dass Glencore sich an internationale Richtlinien bezüglich Menschenrechten und Umweltschutz halte. Dazu biete Glencore auch Förderprogramme für die Bevölkerung und Gesundheitsfürsorge für die lokalen Angestellten. Die Meinung von Herrn Schweizer und die Meldungen aus dem Publikum bewerteten diese Aussagen jedoch als nicht der Realität entsprechend. Der profilierte unabhängige Dokumentarfilmer Daniel Schweizer zeigte sich verärgert ob des Vorwurfs der einseitigen Darstellung der Problematiken. Er wolle das qualvolle Leiden der Bevölkerung einem breiten Publikum im Westen bekannt machen, meinte er zu Recht. Man solle mehr Respekt gegenüber den Opfern zeigen. Es gebe zwei nicht verhandelbare Dinge: Die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt.  

‚Trading Paradise’ wird zurzeit in ausgewählten Schweizer Kinos gezeigt.

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